Bilder für James Joyce

Tages-Anzeiger, 2004-03-23

Der Künstler Aldo Bachmayer , der Bilderzyklen zu Werken von James Joyce geschaffen hat, ist am Samstag gestorben.

Von Fritz Billeter
Aldo Bachmayer , 1947 in Samedan geboren, erwarb zuerst ein Architekturdiplom an der ETH Zürich, entschied sich aber 1973 für den Künstlerberuf. Zunächst bevölkerte er, in Anlehnung an den Amerikaner Richard Lindner, die Leinwand mit wagnerianischen Damen in grotesken Schminkmasken und Korsetts. Dann fand er zu einer sehr persönlichen Variante der Pop-Art. 1984 zog Bachmayer aus materiellen Gründen mit seiner Familie von Zürich nach Balgach SG. Fernab der Kunstszene entwickelte er ein Vorhaben, demgegenüber sich alles Bisherige als vergnügliches Vorspiel ausnimmt.

Der Roman «Ulysses» (1921) von James Joyce wurde sein Kopfkissenbuch. Von 1994 an setzte er ihn in knapp fünfjähriger Arbeit in einen Zyklus von 120 Bildern um. Ein einziges Mal hatte er Gelegenheit, dieses Ensemble vollständig auszustellen, 1998 im Palais Liechtenstein in Feldkirch. Bachmayer hat nicht etwa den «Ulysses» illustriert, er hat ihn vielmehr sinnlich anschaubar gemacht, ihn in die dritte Dimension überführt. Er hat den Romanfiguren Gesicht und Körper verliehen; er hat das 1000-seitige Buch mit den Mitteln der bildenden Kunst interpretiert. Joyce erprobte in seinem Werk die mannigfaltigsten Sprachweisen auf verschiedenen Bewusstseinsebenen: den Strassenslang, das Reden von Bar-Habitués, Journalisten, Intellektuellen, Priestern, das halb bewusste freie Assoziieren im inneren Monolog.Bachmayer setzte dies derart um, dass er einem alle denkbaren bildnerischen Richtungen der letzten 400 Jahre in seinem Zyklus vor Augen bringt: Barock, Klassizismus, Jugendstil, abstrakte Geometrie, Surrealismus, Tachismus, Fotorealismus.

Raffiniertes Spiel
Joyce begleitet in seinem Roman den Inserateakquisiteur Leopold Bloom auf seinen Stadtgängen in Dublin während eines 24-Stunden-Tages. Er zeigt ihn als Suchenden und Strauchelnden, als Schwätzer und Schürzenjäger.Bachmayer , der sich mit Bloom innerlich verwandt fühlte, treibt ein raffiniertes Spiel mit Umrissfiguren, die er mit Wesensmerkmalen von Bloom, Odysseus, von Joyce selbst, vom eigenen Ich oder in einer zusammengesetzten Gestalt mit Eigenschaften von allen vieren zugleich auffüllt.

In den letzten Jahren wagte sich Bachmayer an «Finnegans Wake» von Joyce. Hier vermochte er dem Switchen (sogar im selben Satz) von einer Sprache in die andere mittels digitaler Bildtechniken beizukommen. Seine letzten Bilder erinnern mit ihrem geheimnisvollen Farbleuchten an Hinterglasmalerei. Der grosse Erfolg war Bachmayer nicht beschieden; dafür war er zu sehr Lokalmatador. Doch die Zeit wird kommen, in der man ihn als einen der bedeutendsten Künstler seiner Generation erkennen wird.