1973: Ich sehe 167 mal mich selbst

Die Bilder von Aldo Bachmayer sind naiv und magisch. Nicht Collagen - dieses Wort sagt wenig aus und täuscht -sondern Schatzkammern. Ich will dies nicht erläutern, man schaue sich die Werke aus Distanz und aus der Nähe an.

Ein nicht-naiver Künstler ist keiner. Kunst drückt jene Gesetzmässigkeiten des Lebens, der Wirklichkeit aus, die nicht mathematisch und nicht wissenschaftlich - noch nicht fassbar sind. Deshalb hat ein Kunstwerk magische Kraft und Wirkung, weil es mehr aussagt als einer wissen kann und für den zweckgerichteten Alltag zu wissen braucht. Ich notiere Gedanken, die die Bilder von Aldo Bachmayer in mir produzieren. Jedes Kind kann zaubern, .wie bekannt, und jeder Mensch weiss mehr als er im Alltag behaupten darf. Aldo Bachmayer: feuchte Augen, feuchte Hand, soviel Haar im Gesicht, dass man an Haut nur die Nase sieht; die Augen wie Fenster; der Blick bewegt sich kaum. Er ist diplomierter Architekt der ETH. Er soll farbblind sein: die grüne Wiese sieht er rot, die rote Fahne manchmal grün.

Aldo reicht mir eine Zigarillo-Schachtel, darauf steht: "Zum Kaufen: Fr. 2.-, fünfzig Rappen für's Schauen." Ich mach die Schachtel auf - und sehe in den Splittern einer Weihnachtskugel hundartsiebenundsechzig Mal mich selbst.

Walter Marti

1974: Gefundenes, Erfundenes

Die bevorzugteTechnik des 1947 in Samedan geborenen Architekten und Malers ist die Collage, die In den letzten beiden Jahrzehnten eine Renaissance erfahren hat. Man denke an die Bilder von Rotella, Hains, Rauschenberg, Hamilton und Wesselmann.

Doch zeichnete sich neben der qualitativen Weiterentwicklung der Dada-Erfindung auch noch eine quantitative Eskalatjon ab: einem zerrissenen Weltbild gibt man mit Schere und Kleister am leichtesten Ausdruck, und ausserdem kommt, die Collage jenen entgegen, bei denen der Gestaltungswille grösser ist als die reproduktive Fähigkeit.

Aldo Bachmayer bekennt; «dass er nicht Zeichnen» könne. Daher übernimmt er die meisten Bildelemente aus Zeitungen und Zeitschriften. Sein persöhnlicher Beitrag besteht ausser in der Auswahl In der straffen, eigenwilligen Komposition und In der Zusarnmenfassung der Teilstücke mit graphischen, und malerischen Mitteln.

Die behandelten Themen sind alltäglicher Art, die Konsumwelt, die vermarktete Sexualität, Aggressionen auf den verschiedensten Ebenen, Themen, die man erschöpft glaubte, gewinnen hier neue Aktualität. Dies dank der formalen Kraft und den vielspurigen Assoziationsbahnen, die die in der Galerie Artischock gezeigten Arbeiten auszeichnen.

Die meisten Blätter sind ohne den Hinte- rgedanken an eine Ausstelung entstanden. Dies trifft auch für die stilistisch ganz anders gelagerten "kleinen Erfindungen" zu. Da sich der Künstler für das Produkt weniger interessiert als für die Konzeption und den Schaffensprozess, verzichtet er auf die milimetergenaue malerische Ausführung. Seine konstruktionen fügen sich aus farbigen Klebdstreifen zusammen. Sie erweisen sich nicht als dauerhaft, illustrieren die Absicht des Künstlers jedoch hinreichend. Und möchte jemand ein solches Bild besitzen, so nimmt Bachmayer die Fleissarbeit der malerischen Umsetzung gern auf sich.

(Bis 20. Februar) .

Peter Killer

Tagesanzeiger, 15. Februar 74

1975: Aus dem plakativen Bildrepertoir der Alltagswelt

gb. Werke von Aldo Bachmayer waren im letzten Jahr in der Galerie Arti-schock und an der juryfreien Züspa--Ausstellung zu sehen. Bis zum 13. April kann man nochmals mit der Bildwelt dieses Künstlers in der obgenannten Galerie Kontakt aufnehmen. Der 1947 in Samedan geborene Bachmayer setzte sich nach abgeschlossenem Architekturstudium in seiner Malerei anfänglich mit konstruktivistischen Tendenzen auseinander.

Dann kam er zur Collage. Die spontane Aussage und das Zufälligkeitsmoment drängten die vorherberechenbaren Ele-mente in den Hintergrund. Er griff in das Bildrepertoire unserer Alltagswelt, wählte aus ihr besonders Photoromane, Werbezeichen, -bilder und -texte, mit denen jeder fast täglich konfrontiert wird und die er bewusst oder unbewusst wahrnimmt, und setzte sie In einen anderen Rahmen, In ungewohnte Zusammenhänge.

Der Künstler bedient sich also der Thematik und auch des dekorativen Figurations- und Farbinstrumentariums der Popart. Seine Prospekt- und Plakatfragmente bringt er in spielerischer Art auf seinen meist grossformatigen Tafelbildern durch rasterartige, zierend gemusterte Streifen In eine poetisierende Ordnung. Zigarettenmarken, Zahlen, Frauen in Reizposen, Panzer, kraft-strotzende Männer, Versicherungsagenten, Spielkarte, Auto, Schmetterling, Wappen, Streichhölzer, Pferd, Glühbirne werden zueinander in Beziehung gesetzt, in artfremde Nachbarschaft gerückt.

Die überleitenden Streifen-, Punkt-, Schachbrett- und Blumenmuster schaffen poetische Zeilen, Assoziationsketten. Objektkontraste mit leichter Schockwirkung, Humor sowie auch sehnsuchtsvolle Landschaftsszenerie und Erinnerungsfetzen, sie alle stellen die bildkonstitutiven Einzelheiten dar.

Aldo Bachmayer, hat sich dabei völlig auf eine subjektive, in gewissem Sinne emotionale, jedoch wertneutrale Ebene gestellt. Das unterstreicht er sehr deutlich. durch die stark dekorativen Züge seiner heutigen Malerei. Aus seiner engagierten Zeit ist das mit Panzern «überschriebene» Bild des Vietnamsoldaten mit der abgerissenen, In das Vita-Zeichen (Versicherung) mündenden Hand zu sehen.

Collagen, Siebdrucke, Mischtechnik, Kunstharz auf Pavatex sind des Künstlers Malverfahren. Zuweilen arbeitet er rein flächig, zuwellen modelliert er. Seit einiger Zeit bemüht er sich immer mehr um die zeichnerischen Qualitäten seiner Bilder.

Gundel Bernimoulin

Zürcher Nachrichten

1979: Collagen-Architekturen

ep. Sich selbst und seine Umwelt ausdrücken-, Erlebnisse festhalten und verarbeiten; Bildnisse schaffen aus eigener origineller Welt-Sicht - daraus wird vielleicht ein Tagebuch, daraus werden vielleicht gemalte Bilder. Bei Aldo Bachmayer werden es Collagen. 1947 in Samedan.geboren, studierte er Architektur an der ETH und lebt seit 1973 als freier Künstler in Zürich.

Architektur: Aldo Bachmayer konstruiert seine Collagen, baut sie auf und zusammen. Viel Ornamentales, Fussbodenmuster, Stücke von Leisten, Fenstern - streng und doch heiter bringt er die Teile zusammen, flicht sie ineinander mit seinen Erinnerungen.

Hier: Ferienstimmung in Italien. Eine Palme, ein Stück Garten, ein Schmetterling bringen Natur und Leichtigkeit zwischen die Architektur. ein Bahnbillett, eine Eintrittskarte, ein Gepäckzettel, eingeflochten in die zurückgeträumten Ferien und zugleich miteingeflochten Freude.-Ferien und Ferne für alle, die seine Bilder betrachten.

Kein teures Material wird verwendet. Aldo Bachmayer malt zum Teil auf Packpapier, malt Stufen und Wolken, kombiniert sie mit Zivilisationsresten: Ein Muskelprotz und ein leichter Sommmervogel - in und auf den Bildern - ist viel zu sehen, sie wecken Erinnerungen an eigene südliche Erlebnisse und am schönsten, sind sie, wenn draussen grau und neblig-kalt die Welt versinkt. Dann kommen Farben und fröhliche Ornamente besonders lebendig zur Geltung.

Die Ausstellung dauert bis 2. März.

Bund, 27. Februar 1979

1979: Aldo Bachmayers “kleine Wahnwelt” an der Stadthausgasse

Fröhliche, bunte Farben leuchten seit. dem letzten Donnerstag dem Besucher der Galerie an der Stadthausgasse entgegen. Dort hat Aldo Bachmayer seine «Ligurischen Bilder» ausgestellt; eine ganz gelungene Mischung von Malerei und Collage. Ueber das Werk des Künstlers, der seinen Beruf - er ist eigentlich Architekt - in seinen Bildern nicht verleugnen kann, sprach in der Vernissage Dr. Fritz Billeter.

R. U. Zugegeben auf den ersten Blick sind Aldo Bachmayers, Bilder eher verwirrend. Man weiss nicht recht, kommt das von der überraschenden farblichen wie gegenständlichen Vielfalt, kommt es von den oft schwierigen Verbindungen einzeler Bildaspekten oder von der ganz eigrnenn Technik des Malers. Auf jeden Fall eineungewohnte Sache für den, der zum ersten mal konfrontiert wird mit diesen Werken.

Doch nach einer Weile, wenn sich die Augen daran gewöhnt und die Gedanken etwas eingependelt haben, bekommt man Geschmack für diese vielfältigen, meist grossformatigen Biler , beginnt sie mehr und mehr mit Interesse und oft auch Amusement zu betrachten. Um einmal beim Hintergrund anzufangen: Aldo Bachmayer liebt die geometrischen Formen, allen voran das Viereck, das er mit einer üngeahnten Variationsbreite zu handhaben versteht: Vierecke als räumliche Würfel, als Ornament oder als Gestaltungselement sind auf jedem Bild zu finden.

Weitere Gestaltungsmittel sind die äusserst kräftigen Farben, sind Collage Elemente und, eigentlich eher in beschränkterem Rahmen, gegenständlich gemalte Bildteile. Das ist alles in allem gesehen eine Kombination, die einen durchaus ansprechen kann. Schwieriger wird es, wenn man sich zu fragen beginnt, was denn da eigentlich dargestellt werden soll.

Hier konnte die kleine Ansprache von Dr. Fritz Billeter dem "Laien" beziehungsweise dem Newcomer etwas weiterhelfen. Er sprach, was man anfangs vielleicht übersehen hatte, dass den Bildern "etwas volkstümliches" anhafte, sprach in diesem Zusammenhang auch von "Stadtfolklore", und bezeichnete Bachmayers Schaffen als «fröhlich provinzielle, was ja heutzutage kein Schimpfwort mehr sei. Doch nicht nur Stadtfolklore, auch - und vielleicht vor allem - Ferienclichés, und zwar verbrämt mit Standardtouristischem, faszinieren den Maler: knallige Farben und unruhige Kompositionen unterstreichen dieses Thema. Daher auch der Name Ligurische Bilder: also Italien, Riviera, Meer.

Es ist, wie gesagt, schwer, die Bilder Aldo Bachmayers sprachlich zu um- oder beschreiben. Doch vermutlich passt, so meinte: Dr. Fritz Billeter wohl nicht zu Unrecht, ein Wort Paul Nizons zu der Ausstellung: "Zürichs kleine Wahnwelt". Auch wenn Aldo Bachmayers Bilder gar nicht diese, Stadt meinen.

Die Ausstellung, ausser Montag täglich zwischen 9 und 21 Uhr geöffnet, dauert bis zum 29. April.

Schaffhauser Nachrichten, 3. April 1979

1982: Geister sind losgelassen und wieder gebannt

Hure und Bürger
Beim 35jährigen Aldo Bachmayer, der in der neueröffneten Galerie Ursula Holl am Stampfenbachplatz ausstellt, werden wir in eine völlig andere Atmosphäre getaucht. Bachmayer gelingt eine Überlagerung von mindestens drei Stimmungskomponenten: von kalter, grossstädtischer Entfremdung, von fröhlich-melancholischer Ferienprospektseligkeit, von exotischer Bordellatmosphäre, letztere am greifbarsten im Holzrelief, das eine ins Tingeltangelhafte transportierte Odaliske nach Ingres, zeigt. Dem Durcheinanderwirbeln solcher kontrastreicher Bedeutungs- und Stimmungsebenen entspricht eine Collagetechnik, die in Malerei eingebettet ist. In diesem originellen Post-Pop bewegt sich Bachmayer seit etwa 1974; bemerkenswert daran ist, dass er sich in seinen neuen Arbeiten wiederum zu steigern vermochte. Auch Bachmayer neigt wie alle hier besprochenen Künstler zur stereotypen Figur, die von ihm aber (ähnlich wie bei Miriam Cahn) ganz diesseitig aufgefasst ist. Seine Figurinen erinnern in ihrer exhibierenden Steifheit an grosse mechanische Puppen. Seine männlichen Grossstädter sehen wie Gangster aus, sind insofern Nachfahren aus Brechts Dreigroschenoper. Ihnen entsprechen geradzu barock aufgezäumte Liebesdienerinnen, die ihre Korsetts wie Panzer tragen.

. Bachmayer zeigt ein gänzlich veräussertes Menschengeschlecht; dessen Geilheit und Käuflichkeit äussert sich in heraldischen Signalen und in ihrer "Berufskleidung". Der KünstIer hat es in eine kulissen- und staffagehafte Umwelt von kräftiger bisaufreizender Farbigkeit gesetzt. (Bis 12. Juni) Fritz Billeter

Fritz Billeter

Tagesanzeiger, 18. Mai 1982

1984: ländliche tagebuchnotizen aus dem rheintal

Üblicherweise werden sie schriftlich geführt, die Tagebtücher, für den Maler Aldo Bachmayer naheliegender ist es, seine Tageseindrücke und Erlebnisse bildhaft wiederzugeben. Anlass dazu bot der Umzug des Künstlers samt Familie von Zürich ins St.Galler Rheintal nach Balgach, entstanden ist das ländliche Tagebuch "Grüsse aus Balgach", das mit dem 1. Juni dieses Jahres einsetzt und bis in den August reicht. Gezeigt wird es in der Galerie Kunst & Design bis 20. Oktober. Der Malerei wandte sich Bachmayer 1973 zu, nachdem er ein Jahr zuvor als Architekt an der ETH Zürich abgeschlossen hatte.

Einen neuen Wohnort, eine neue Umgebung zu erfahren vollzieht sich nicht von heute auf morgen, sondern in einem längeren Prozess des Kennenlernens und Vertrautwerdens, dies geht deutlich aus Bachmayers Bildfolge hervor. Am Schluss des Tagebuches steht auch nicht eine werbeprospektartige Bestandesaufnahme des neuen Lebensraums samt deutlichen Charakterporträts der Balgacher; die Aufzeichnungen behalten von Anfang bis Schluss etwas Offenes, Unbestimmtes, ausgearbeitetere Partien wechseln mit bloss skizzierten, angedeuteten, dies als Hinweis dafür, dass der Prozess des Kennenlernens gar nie abgeschlossen sein wird, Mensch und Umgebung verändern sich dauernd.

Behutsame Annäherung

Die Annäherung an die neue Umgebung erfolgt behutsam Schritt um Schritt, einzelne Motive werden ins Auge gefasst, Haus, Kuh, Lastwagen oder einfache Handlungsablauf, wie die gemeinsame Mahlzeit, der Besuch aus Zilrich. Diese Ausschnitte und Szenen werden oft puzzleartig in Collagen vereint, oder dann wird mit zeichnerischen Mitteln diese Wirkung angestrebt. Gelegentlich wird man an Bachmayers Ausbildung als Architekt erinnert, etwa beim Gebäudekomplex, der auf dem Kopf steht und den Grundriss klar ersichtlich macht. Vielfach interessiert ihn bei den Häusern vor allem die Grundform, Mauern, Satteldach und allfällige Anbauten. Mit verschiedenen leuchtenden Farben drückt er deren wechselnde Erscheinung im Verlauf des Tages aus. Andere Gebäude verfolgt er mehr ins Detail, ohne aber blosse Abbilder hervorzubringen. Überhaupt haftet den Bildern immer etwas Naiv-Zauberhaftes, Irreales an, vor allem auch wegen den bunten Farben, die sich überall entfalten, sogar der Himmel kann für einen Moment auf Balgach fallen, um einem Hausdach einige seiner Wolken zu überlassen. Die Bilder können auch surrealistische Züge annehmen, wenn sich Teile eines Gesichts, Lippen, Augen etc. nach eigenem Willen frei im Raum plazieren. In abstrakte Richtung dagegen weist die Darstellung vom Haus des Bäckers, in der sich der Künstler von den Linien in einem zuvor gefalteten Papier führen liess und zwischen diese farbige Felder einfügte, als Visualisierungen seiner Eindrücke.

Obwohl gewisse Personen als blosse Umrisse auftreten, ein engerer Kontakt mit ihnen scheint noch nicht hergestellt, deutet doch alles darauf hin, dass sich Bachmayer am neuen Ort gut eingelebt hat. Nicht dass ihm Zürich nicht mehr gefiele, auch grosse Städte waren einmal klein, betont er, und das Tagebuch hält einen Besuch aus Zürich als freudiges Ereignis in Erinnerung, das wegfahrende Auto wird zur farbigenwinkenden Hand.

Die "Grüsse aus Balgach" sind aber keine emotional-spontanen Äusserungen als Reaktion auf die neue ländliche Umgebung, die auffallende Statik und Stillebenhaftigkeit der Bildinhalte hat eher eine"nüchterne", aber persönlichgeprägte Bestandesaufnahme des Lebensraums hervorgebracht, die so oder ähnlich an jedem anderen Ort und aus irgendeinem anderen Anlass heraus entstanden, sein könnte.

Marie - Louise Lässer

Neue Zürcher Nachrichten, 29. September 1984

1987: Galerie Spleiss: Aldo Bachmayer

Seit den siebziger Jahren wird die europäisch-amerikanische Kunstszene nicht mehr von einem Hauptstrom beherrscht; die verschiedensten, auch die gegensätzlichsten Richtungen verlaufen nebeneinander und durcheinander. Diese pluralistische Situation erlebte ich wiederum während meines Galerienrundgangs. Ich fand keinen roten Faden, als den derVielfalt ..

Der Maler Aldo Bachmayer (1947 geboren) bewegt sich vom Tafelbild weg, ohne sich auch ganz von ihm zu lösen. Er tendiert zum Objekt, gar zum Möbel oderzur Kulisse. (1983 entstand für die Überbauung Rütiwiese in Adliswil in dieser Form eine ganze Jazzband.) Auch die Werke in der Galerie Spleiss sind eineinteressante Mischung zwischen Reliefund gemaltem Bild. Sie sind alle einheitlich auf Holz gemalt und mit einem grünen Holzrahmen versehen; darüber hinaus werden die Figurenszenen innerhalb des Bildervierts von einer in Kurven verlaufenden Fassung begrenzt. Bachmayerstellt plakativ und in fröhlich vitalen Farben städtisches Volk aus Nachtcafe und Cabaret dar. Er lässt Taschenspieler,Cancan-Tänzerinnen, Tangopaare und Musikanten auftreten. die Requisiten und Attribute solcher Figuren - z.B. Musikinstrumente oder der Zylinder, Taube und Hase des Magiers, auch kleidungsstücke wie Krawatten, Mützen, panzerartige Corsages und hochhackige Stiefel - sind ebenso wichtig wie deren Träger. Bachmayer entfaltet eine einfache, populäre Symbol - und Zeichensprache; er gelangt zu wappenartigen Stilisierungen und Farbwechseln. Zwischen die Figuren schieben sich Muster und Ornamente wie Sternbänder, Rosetten, schachbrettartige oder getupfte und gestreifte Felder. Alles in allem: eher poppig als wirklich zur Pop-art gehörig. (Bis 4. Mai)

Fritz Billeter

Tagesanzeiger, 6. April 1987

1987: Familie Schweizer lädt ein

mg. Eng und unübersichtlich ist sie, die vielbefahrene und viel begangene Churerstrasse. Für Passanten und Automobilisten ist grosse Vorsicht geboten; und genau da, an der dümmsten,- weil unübersichtlichsten Stelle steht sie - die Familie Schweizer: Mutter, Vater und drei Kinder, wovon das jüngste noch im Kinderwagen ist. Lebensgross und in bunten Farben auf Holz gemalt hat sie Aldo Bachmayer festgehalten. Es ist die erste grosse Arbeit, die der Künstler nach seiner Übersiedlung von Zürich nach Balgach im Rheintal geschaffen hat. Die hölzerne Personengruppe steht nicht zufällig an der dummen Ecke. Sie weist auf die Ausstellung im Innem der hier beheimateten Rhy-Galerie hin. Dort zeigt Aldo Bachmayer bis zum 7. Juni Bilder und Objekte.

In seiner farbigen Buntheit ist das Objekt Familie Schweizer kennzeichnend für Bachmayers Schaffen. Bezeichnend ist aber auch, dass es geschaffen wurde, um an einen Strassenrand, an eine Stätte ständiger Bewegung gesetzt zu werden. Denn auch die Bewegung zieht sich wie die Buntheit durch die in der Rhy Galelerie ausgestellten Werke wie ein roter Faden. Es seien Produkte einer überschäumenden Phantasie, die immer in ein geistreiches Ordnungsprinzip eingebunden seien, drückte sich Vernissage-Redner Dr. Roland Mattes aus. Dieser scheinbare Gegensatz - überschäumende Phantasie einerseits, Ordnungsprinzip (beispielsweise in Form eines Gitterrasters) andererseits schafft Spannung. Diese Spannung wird denn auch für den Betrachter sofort spürbar,zieht ihn an und fesselt ihn.

Witz und sprühende Phantasie
In den vielschichtigen Bildern Iässt sich immer wieder Neues entdecken. Mit Witz, Humor, lebendiger Improvisation und sprühender Phantasie hält der Künstler die Betrachter seiner Werke gefangen bzw. lädt ihn ein, ihm auf dem Pfad seiner Phantasie zu folgen. So wird der Bildbetrachter in bunte, trotz der geometrischen Formen beschwingt-leicht wirkende Erotik versprühende Ferienlandschaften geführt.

Dem gegenüber stehen die dunkel gehaltenen Bilder zum Thema James Joyce's "Ulysses". Zu diesem Themenkreis äusserte sich der St.Galler Kunstkritiker Dr. Roland Mattes: Aldo Bachmayer bleibt immer sich selbst. Kein Wunder, dass er deshalb auch zu James Joyce und zu dessen "Ulysses" innere Bindung verspürt. Es ist der Roman, der mit der Erfindung des inneren Monologs alle alten Gesetzmässigkeiten der literarischen Gestaltung aufgebrochen hat und der Phantasie und dem Reichtum der Gedanken ein Feld unbegrenzter Möglichkeiten erschliesst. Und hier ist Aldo Bachmayer daheim.

Querschnitt durch das jüngste Schaffen

Die Ausstellung in der Rhy Galerie gibt einen guten Querschnitt über das jüngste Schaffen von Aldo Bachmayer wieder. Themen, mit denen sich der Künstler in seiner Arbeit schon länger beschäftigt, werden ebenso gezeigt wie die verschiedenen Ausbruchversuche, wobei vor allem die expressionistisch anmutenden Blechbilder zu nennen sind, und die neuen Entwicklungsstufen, die in den Arabesken und Etuden deutlich erkennbarsind.

Die Ausstellung in der Rhy Galerie, die bis zum 7. Juni dauert, bietet Gelegenheit, sich mit dem Schaffen eines weit über das Rheintal hinaus anerkannten, im Rheintal selbst aber wenig bekannten Künstler vertraut zu machen.

Meinrad Gschwend

Rheintalische Volkszeitung, 11. Mai 1987

1987: Inszenierung einer spontanen Begegnung

NEUKIRCH (mat) Geduldig wartet die"Familie Schweizer" von Aldo Bachmayer, die zur Zeit im Garten vor dem markanten, roten Riegelbaus der Galeristin Beatrice Meile-Meyrat in Neukirch an der Thur steht, auf die ersten Gäste der Ausstellung, die am kommenden Samstag um 17 Uhr mit eine Vernissage eröffnet wird und bis 13. September dauert. In den Galerieräumen wurde diese Woche geklebt, gehämmert und über die beste Anordnung der Bilder und Objekte diskutiert. Für den im Rheintal lebenden Künstler sind dafür neben den bestehen den Raum- und Lichtverhältnissen vor allem ihre szenische Wirkung auf den Betrachter ausschlaggebend. Die Aufmerksamkeit des Betrachters fesseln und ihn in das Spiel mit Formen und Farben hineinziehen - diesem Ziel kommen seine Arbeiten in ihrer offenen Direktheit entgegen.

Im Eingangsbereich wird der Galeriebesucher von einem"Paar unter Palmen" begrüsst. Die beiden in einem zweiteiligen Paravent gefassten Figuren sind mit den für Bachmayer typisch bunt-grellen Farben auf Aluminiumblech gemalt. Die Konturen der stilisiert wiedergegebenen Körper sind dabei teiweise aufgeschnitten und herausgebogen, wodurch eine plastische Wirkung erzielt wird. die sich allerdings nur auf Distanz voll entfalten kann. Bereits bei dieser Arbeit, die er für eineSchaufenster-Ausstellung Altstätten konzipiert hat, schimmert der Witz und Humor durch. mit dem Bachmayer seine Bilder entwirft. Sie verbreiten eine komproinisslose Lebensfreude, der sich auch ein unwilliger Betrachter kaum entziehen kann.

Die Lücken der Architektur füllen

Der vierzigjährige Maler, der mit seiner Familie seit 1984 in Balgach lebt. studierte anfangs der 70er Jahre an der ETH Zürich Architektur. Auf die Frage nach seiner heutigen Beziehung zur Architektur, antwortete der Exarchitekt verschmitzt, statt Häuser zu bauen, habe er sich damals entschieden. die grauen Leerstellen, die die moderne Architektur hinterlasse, mit farbigen Bildern zu füllen. Von seinen ersten Collagen über die Blechbilder bis zu den jüngsten abstrakt gelhaltenen Arabesken hält sich der Versuch, durch Addition verschiedener Elemente ein neues Ganzes zu schaffen. Dieses Neue ist dabei aber nicht abgeschlossen und fixiert. sondern lässt, wie etwa in den dreischichtigen Wandobjekten deutlich wird, einen Spielraum offen, den erst der Betrachter mit seiner Wahrnehmungsarbeit schliessen kann. Seine Bilder scheinen so erst mit dem Blickkontakt eines Betrachters zum Leben zu erwachen.

"Kulissen" für ein improvisiertes Spiel

Kunst soll den Betrachter aktivieren, ihn in das Spie lmteinbeziehen, so Iässt sich Bachmayers Intention, die er in seinen Arbeiten verfolgt, vielleicht knapp formulieren. Dem kommt natürlich der kulissenhafte Charakter vieler seiner Installationen entgegen, die häufig für einen bestimmten Raum oder auf einen besonderen Anlass hin entworfen wurden. Nicht nur beim "Paar unter Palmen" tritt das Kulissenhafte seiner Arbeiten deutlich hervor. Auch die übrigen Installationen - angefangen bei der "Familie Schweizer", die ursprünglich für eine Zürcher Wohnstrasse entworfen wurde, über die "Hochzeit im Herbst", bis zur "Macchina dei Burrattini"- ziehen den Betrachter unwillkürlich in ihr Spiel mit ein. Während man unter den Palmen noch artig mit einem Urlauberpaar Konversation pflegen kann, fühlt man sich auf der herbstlichen Hochzeit schon eher als Eindringling, während man vor der - auf die Bühne der italienischen Puppenspieler anspielenden - "Macchina dei Burattini", gleich in eine doppelte Zuschauerrolle hineinversetzt wird, aus der man unwillkürlich auszubrechen versucht.

Blicke aus der Vergangenheit

Im Mittelpunkt der Ausstellung in Neukirch stehen die insgesamt 14 Ahnenportraits, unter die sich Bachmayer bereits selbst als Flieger eingereiht hat. Die teils fiktiven, teils realen Vorfahren - wie beispielsweise "Leopold", der nach England auswanderte und dort Polospieler wurde oder"Adalbert", der Tramführer - offenbaren einen Hang zur Indiskretion. Was sich für den Künstler als ein Blick in die Vergangenheit - vielleicht sogar als eine Suche nach einem Teil der eigenen Vergangenheit - darstellt, wird für den Betrachter zu Blicken aus der Vergangenheit. Dabei ist es nicht leicht, diesen Blicken auszuweichen,durch die eigenwilligeTechnik scheinen sie jeder Bewegung des Betrachters zu folgen. Wie die kulissenhaften Installationen durch ihre eigenwillige Ausstrahlung vor dem Abgleiten ins rein Dekorative bewahrt werden, so sind die Portraits in ihrer Offenheit hartnäckig, aber nicht aufdringlich. Sie bilden eine Herausforderung, die für beide, den verschmitzt lachenden Vorfahren sowie für seinen Betachter, ein vergnügliches Erlebnis werden kann.

Thurgauer Tagblatt, 20. August 1987

1988: Atelier-Galerie: Alfons Keller

Auf 20 jahre Künstlertätigkeit kann Aldo Bachmayer zurückblicken. Die gegenwärtige Ausstellung in der Atelier-Galerie hat somit den Aspekt einer Retrospektive. Das Werk des heute 43 Jahre alten, im Rheintal wohnhaften Malers, zeichnet sich durch seine Wechselhaftigkeit aus. Ein weiterer Grundzug ist die stete Nähe zum Figürlichen. Bachmayers Zeichenvorrat hingegen scheint unerschöpflich, ebensosein Einfallsreichtum im Umgang mit Farbe und Materialien. So ist die Collage ein konsequentes Mittel seines künstlerischen Aus- drucks. Daneben fallen grossformatige Gemälde und Bildobjekte auf. Immer wieder hat Bachmayer Vorstösse in die dritte Dimension unternommen. Er liebt das Grosszügige, das Ausgreifen, plakative Farben. Die Buntheit, die in seiner Farbenwelt zutage tritt, ist durchwegs wohl durchdacht.sind ausgewogen. Rot und Grün, Blau und Gelb treffen oft aufeinander. Die Collagen und die Objekte tragen gerne ironisierende Züge. Da ist zum Beispiel die sarkastische Ahnengalerie. Das Nachdenken über die eigene Herkunft und die Wurzelnkommt im Schaffen Bachmayers Bedeutung zu. Viele Bilder Bachmayers haben erotischen Gehalt, lassen Mann und Frau - in Liebe einander zugekehrt - erkennen. Gerade diese Bilder sind so ausgelegt, dass sie Distanz und Abstand erfordern. Bilder, die das Zurückdenken zum Gegenstand haben, sind oft von ironischer Distanz geprägt und liegen nahe bei der Pop-art. Überhaupt liebt es Bachmayer, die Kunstgeschichte mit einzubeziehen. Sein Werk ist reich an diachronischen Bezügen. Diesen im einzelnen nachzuspüren, ist reizvolle Aufgabe.

Bis 2.6.

Hans Jürg Etter

Die Ostschweiz, 2. Mai 1988

1989: Vielfältige Partitur malerischer Menschlichkeit

RORSCHACH. "Kunst im Kreuzgang" - die Jahresausstellung im Lehrerseminar Mariaberg, Rorschach, zeigt bis 2. Dezember den facettenreichen Wandel zur malerischen Menschlichkeit, den Aldo Bachmayer seit seinem Umzug aufs Land, von Zürich nach Balgach, im Zeitraum von sieben Jahren durchschritten hat. So spontan, wie Aldo Bachmayer im ersten Dezennium seines Schaffens in die visuelle Bilderflut griff, die den Menschen in grauen Wänden umstellt, so spontan greift er gegenwärtig zu den Farben. Damit schlägt er nach wie vor in überschäumender Frische die Brücke zum jungen Volk.

Bunt bewegte Wände

"Wir ziehen aufs Land" 1983, das Objektbild der Familie mit Katze, steht als Aufforderung im Kreuzgang-. die klaren Farben scheinen, vom Föhn im sonnigen Rheintal rein gefegt, die ganze Lebensfreude zu spiegeln. Die"Familie Schweizer" als Projekt/Modell für die Möblierung einer Wohnstrasse in Zürich, 1984, darf als Schwellenfigur des Umgzugs gelten. Die Idee Stadtkunst statt Kunststadt hat vor dem Wohnhaus in Balgach an der Wiesenstrasse die freiere Bedeutung des frohen Sonntagsspaziergangs angenommen. Vorbildlich signalisiert diese Familie bis heute auch die Bereitschaft, sich an Ausstellungen zu beteiligen."Musvclop" und"Cyclopatra", die Mittelteile der beiden Triptychen für die 5. Biennale der Schweizer Kunst in 0lten, 1985, zeigen Bachmayers Bezug zur humanistischen Tradition und erleben im Kreuzgang über die neue Bestimmung, gewissermassen als Atlanten. die das gotische Gewölbe tragen, eine Wiedergeburt.

Wiedergeburt ist auch das Stichwort für die Ahnengalerie. 1987 realisierte Aldo Bachmayer im Rückgriff auf die mehrschichtigen Bilder die Bewegungselemente neu. Durch Aufschneiden und Wegbiegen aus der Fläche leben diese Ahnen unter den Nachgeborenen weiter. Im"Selbstportrait als Flieger" nimmt er selbst mit seinem schalkhaft lachenden Auge an der Inszenierung seiner Phantasiewelt teil. Seit er die ETH 1972 als Architekt verlassen hatte. wollte er den Menschen bewegen, indem er die grauen Wände so bunt wie möglich machte.

Bewegte Zuschauer

Bewegt im eigentlichen Sinne ist das "Paar im Herbstwind", 1987 zur Wiedereröffnung des Kunstmuseums St.Gallen als Fahne geschaffen, jetzt im Innenhof als bewegte Zuschauer. Sie rufen Komplimente der Kunden in der SBG-Schalterhalle in Rorschach in Erinnerung, die dort in der lebendigen Szene um die, Menschenpaar-Stele und vor den neckischen Fenstern ins Innere die spontane Zustimmungäusserten: "S'isch modern und trotzdem schön!" Auch Wiederverwertung oder Restenverarbeitung bringt köstliche Objekte hervor. Die "Macchina dei burratini" aus den Resten des SBG-Auftrages, ein fast programmartiges Werk, eine Bühne der Hampelmänner, Puppenspieler, wirkt als prospekthafter Lebensraurn wie ein winziges Stück Welttheater.

Bunte Überraschung für Wände

Immer wieder wartet Aldo Bachmayer mit Überraschungen auf. Die "Arabesken" brachten 1987 reine Bewegung, abstrahiert, rhythmisiert. "Himmel-Hölle-Rummelplatz" liess als Werkgruppe mit einer reichen Skala malerischen Zwischentöne aufhorchen - und 1988 bewunderte der "Voyeur" das malerische Werk seines Schöpfers, die Frau als Tänzerin. Tanz. eine Thematik, die mehr und mehr Gewicht bekam, Ausdruck der Lebensfreude. So kann die malerische "Verschmelzung" des Paares nicht mehr verwundern. In dem Aldo Bachmayer heute in der bunten Grundierung, mit der sein Arbeitsprozess einsetzt, immer wieder Menschen entdeckt, bekennt er sich zu seiner Haltung. Malerei ohne den Menschen ist ihm undenkbar. Auch der Betrachter kann Menschen entdecken, wenn er diskret Abstand nimmt. Die neuen Werke aus der menschlichen Intimsphäre sind geladen von Erotik, künden von Partnerschaft. Wer zu nahe tritt, sieht nur gepeitschte Farbflächen, ein Versteckenspielen, das an späten Monet oder Renoir erinnert. Damit wird deutlich, dass Aldo Bachmayer die Entwicklung von der Pop-Art zum Impressionismus seiner eigenen Persönlichkeit gefunden hat. Titelbezüge wie "L'Aprés-midi d'un Faune" zeigen nicht zufällig auf Debussy, dessen lyrische Klangbilder hier in Farbe umgesetzt sind. Diese malerische Menschlichkeit kann erfasst werden in der Analogie des Musikers, der vor vielfarbiger Partitur in die Tasten greift. (Öffnungs- zeiten: Mo-Fr 8-18, Sa 8-11).

Roland Mattes

Die Ostschweiz, 11. November 1989

1991: Ich liebe die Welt und möchte sie gern umarmen

Zum erstenmal stellt Aldo Bachmayer einen Teil seines Schaffens in seinem Wohnort Balgach aus. Die ausgestellten Werke zeigen Motive zum Thema Liebe. Ebenfalls zu sehen sind Gebirgslandschaften, die ür den Künstler eine besondere Bedeutung haben.

"Umarmung" ist der Titel der Ausstellung; ein Titel, der beim Betrachten der Bilder wörtlich genommen werden muss, da Aldo Bachmayer oft Liebespaare darstellt. "Ich liebe die ganze Welt" sagt der Künstler. Und die Liebe auf eine unaufdringliche Art darzustellen, sei sein Ziel.

Paare und Liebesspiele

"Die Liebe zwischen zwei Menschen ist eine intime Angelegenheit, bei der die Liebenden nicht gerne gestört werden." Beim Betrachten der "Paar-Bilder" fällt auf, dass das Motiv erst aus einer gewissen Distanz zu erkennen ist. Wer den Bildern zu nahe kommt, kann das Dargestellte inmitten der Farbkontraste nicht mehr erkennen. "So bleibt die Intimsphäre der gezeigten Paare gewahrt." Die Bilder verlangen nach einer gewissen Distanz des Betrachters.

Ins Auge sticht bei Bachmayers Bildern der grosszügige Gebrauch von Rot und Grün. Betrachter mögen dies als eine Laune des Künstlers - als die künstlerische Freiheit schlechthin - bezeichnen. "Ich bin farbenblind und kann die Farben Rot und Grün nur in Nuancen unterscheiden. Deshalb wohl ziehen mich diese Farben dermassen stark an", sagt Bachmayer.

Landschaft als Stimmungsbild

Zu sehen sind auch Landschaftsbilder als Kontrast zu den dargestellten Liebespaaren."Solche Landschaftsbilder male ich erst, seit ich hier im Rheintal lebe. Dies ist einfach eine andere Darstellungsform von Liebe." Die Distanz bleibt, denn die Gebirgszüge sind aus einiger Entfernung gezeichnet. Details verschwinden. Selbst diese Landschaftsbilder verlangen danach, aus Distanz betrachtet zu werden. "Mir ist wichtig, dass dien Bewegung, die Errosion gesehen wird. Denn in gewissem Sinne ist dies meine Eigenwelt, eine Selbstdarstellung also ... "

Von Aldo Bachmayer dürfte künftig in Balgach noch mehr zu sehen sein. Denn bis jetzt fehlten in seinem Wohnort geeignete Ausstellungs-möglichkeiten. Doch nun stehen ein Ausstellungsraum im alten Rathaus sowie die Räumlichkeiten Bruno Pöltingers zur Verfügung.

Jürg Enderli

Der Rheintaler, 28. Oktober 1991

1992: Sinneserlebnisse: Am Anfang war Musik und Essen

Dass lediglich ein Koch für ein nuancenreiches Menü sorgen kann, verheisst allein schon die Redensart. Wenn der Koch aber kocht, zwar hauptberuflich bildend künstlerisch tätig ist, und beides an einer Ausstellungseröffnung seinem Publikum offenbart wie Aldo Bachmayer am vergangenen Samstag im "Kreuz", entstehen im doppelten Sinn pikante Sinneserlebnisse. ZELG/WOLFHALDEN Der Balgacher Künstler Aldo Bachmayer spinnt seinen vielfältigen künstlerischen Faden im Kultur-Restaurant Kreuz weiter: Die Ausstellungseröffnung stand unter dem kulinarischen Zeichen eines fünfgängigen Menüs à la Bachmayer, das von ihm als "Gastkoch" auch selber kreiert und zubereitet wurde. Für einmal wurden an der Vernissage keine Worte an den Anfang gestellt: fetzige Klaviermusik von "Louis de St.Gall" und Ernesto Andreoli (Waschbrett) regten den Hunger nach "mehr" an, der mit dem fünfgängigen Menü diesbezüglich gestillt werden konnte. Und wer noch nicht genug hatte, konnte quasi mit dem abschliessenden kulinarischen "Sorpreso di Stagione" in den Bereich der künstlerischen Überraschungen wechseln.

Grossformatige Bergwelt

Wer letztes Jahr die Balgacher Open-Air-jubiläumsausstellung besucht hat, erkannte das "Frühstück im Grünen" sofort wieder. die drei an der Weggabelung beim "Kreuz" rastenden, aus vielen hundert Holzstücken zusammengesetzten Figuren wiesen am wolkigen Samstagnachmittag bereits auf die Verbindung von Bild- und Esskultur hin. Ein Steinwurf weiter werden die Gäste von grossformatigen Bachmayer-Bergwelten empfangen, welche die Front und die Flanke des "Kreuzes" zieren. Selbst eine Stallwand wird zur Stellwand für die ruhigen, farblich einheitlich wirkenden Bergwelten des Aldo Bachmayer. Seine grossflächigen, neuen Werke leuchten in die Appenzeller Hügelwelt, seine durch Acryl und Farbe gewordenen Bilder verbinden die Realität mit dem künstlerischen Schaffen.

Zwar werden Bachmayers Bergwelten, die er auch Eigenwelten nennt, nicht auf den ersten Blick als solche erkennbar. Erkennbar aber ist eine lebendige, farbharmonische Ruhe in diesen Werken: also umgesetzte Eindrücke, die so nur durch die Natur vermittelt werden können, Typisch sozusagen ist Bachmayers Einsatz von Gegenfarben, von Rot und Grün, Gelb und Blau. Im Gegensatz zu seinen Aktbildern, die aus einem scheinbaren Farben-Wirrwarr heraus entstehen, bleiben seine Bergwelten farblich strenger komponiert, auch wenn Farbrinnsale im unteren Teil der Bilder - wider das eigentliche Schaffen - für richtiggehende Farbtupfer sorgen.

Vieles auf kleinem Raum

Erstaunlich, wie viele Bilder in ein Gastlokal samt Treppenhaus passen. Dadurch wird ein kleiner Rundgang durch das"Kreuz" wirklich zum Erlebnis. Neben (grossformatigen Siebdrucken, Pavatex-Karton-Creationen und Acrylbildern finden sich kastenartig aufgebaute Bildobjekte; "Dinge", die aus bemaltem Acryglas, Karton und Gitternetzen bestehen und durch unterschiedlichen Licht einfall verschiedenste Farb-Strichwelten entstehen lassen. In anderen "Kästen" winden sich farbig bemalte, aufwärts reckende Pfeile wie aufge- sprungene Strassen nach vorn in Richtung Betrachter. Der verschiedenen Darstellungs weisen sind nicht wenige im "Kreuz" zu sehen, reizvoll einerseits, etwas anstrengend für die Betrachter andererseits, weil einfach zu wenig Platz da ist, um die einzelnen Werke aus der richtigen Distanz betrachten zu können. Die teilweise ungenügenden Lichtverhältnisse unterstützen nicht eben ein gemütliches Betrachten von Bachmayers Werken. Mit der nötigen betrachterischen Ausdauer und Neugier lässt sich dieser Nachteil jedoch beheben. Erstaunlich ist, wie viele verschiedene Stile sichtbar werden. Die Werke Bachmayers stammen aus einem Zeitraum von nur fünf Jahren. Deutlich an dieser Art Retrospektive wird hingegen, dass Farben und das Zusammenspiel von Farben für Aldo bachmayer eine wichtige Rolle einnehmen. Es scheint, dass die Formen, in welchen er seine Farben komponiert, bewusst sehr verschieden sind. die Zeugnisse seiner künstlerischen Vielseitigkeit sind noch bis am 18. Oktober im "Kreuz" in der Zelg zu sehen.

Heinz Müller

Der Rheintaler, 3. September 1992

1993: Aldo Bachmayers Bildstörungen und mehrschichtige Farbenwelt

ST.GALLEN. Das Wiederaufgreifen der mehrschichtigen Bildkompositionen steht bei Aldo Bachmayer in einem neuen Zusammenhang. So haben die Bildstörungen in der Atelier-Galerie bis 6. Juni die Funktion, die richtige Betrachtungsweise auszulösen.

Vier Arbeitsphasen seit 1991 machen den Entwicklungsprozess sichtbar. Seit Aldo Bachmayer mit dem Spachtel auf die Bergwelt übergriff. Wie wichtig dabei der Materialcharakter der Farbe geworden ist, zeigt sich bei den Bildstörungen, welche die Farbebene differenziert betrachten lassen.

Körperhaftigkeit ablesen

Eingearbeitete Holzstücke, eigentlich sind es Fundstücke aus seinem Atelier, haben die Funktion, den Betrachter zu stören und dadurch auf die Körperhaftigkeit der Bilder aufmerksam zu machen. Aldo Bachmayer trägt die Farbe so dick auf, dass er seine Figuren in die erdig wirkende Farbmasse einkratzen kann - ähnlich der Holzschnitt-Technik - und sich somit die dritte Dimension wieder malerisch erschliesst. Der Betrachter wird aufgefordert, die gemalte Fläche als Körper mit fiktiven Ebenen zu erleben. Die eingearbeiteten Holzstücke sind dabei eine Hilfe, denn sie bieten ihm einen Einstieg, so dass er die Figuren herausfokussieren kann.

Fünf Ebenen der Farbenwelt

Mehrschichtige Bilder haben bei Aldo Bachmayer immer wieder seinen Hang zu bewegten Arbeiten bestätigt. Die neue «Farbenwelt» verzichtet aber, im Unterschied zu früher, fast ganz auf erkennbare körperliche Hinweise. Die Bildplatte und Wellkartonstücke sind die beiden Grundebenen, frei schwebende Drahtgeflechte und Plexiglasscheiben geben transparente Mittelschichten, schliesslich bewirkt die Malerei auf der Plexiglasscheibe der Objektbilder. dass sich die Farbe bewegt, wenn der Betrachter daran vorbeigeht. Der Entstehungsprozess ist also vor dem entstandenen Bild mitzuerleben.

«Bergwelt-Eigenwelt», eine weitere Dreiegruppe. zeige auf, woher die Entwick-lung kommt. Schon in diesen Arbeiten von 1991 hat Aldo Bachmayer die Farbe als Material eingesetzt, vermischt mit Sand und anderen Materalien, um reliefartig arbeiten zu können. Die «Bildstörungen" sind also die logische Konsequenz daraus. Damit machen die drei Dreiergruppen die gestalterische Absicht klar und lassen die Entwicklung ablesen.

Prozess des Wiederentdeckens

«Teste ligure" - sieben Mischtechniken im Korridor sind als Experiment einer schöpferischen Phase zu sehe. Im Prozess des Wiederentdeckens erinnern diese Arbeiten an frühere. Der Einsatz ganz verschiedener Materialien auf kleinstem Raum zeigt aber auch Konzentration zum Aufbruch. Dass das Thema der Paare hierwieder aufgenommen wird, ist ebenso typisch wie die Kraft der Bewegung.

Hans Willy Mattes

Die Ostschweiz

1994: James Joyces “Ulysses” malerisch umgesetzt

Dieses Buch des irischen Schriftstellers, ein vielschichtiges Romanwerk in 18 Kapiteln, ist einzigartig in der Literatur des 20. Jahrhunderts. Auf über 1000 Seiten wird ein Tag aus dem Leben von Leopold Bloom behandelt, nämlich der 16.Juni 1904. Einzigartig ist die wechselnde Erzähltechnik des Autors. So verwendet er Erzählungen, Dramen, Dialoge, Montagen, Collagen und Psychoanalysen. Noch heute, über 90 Jahre nach seinem Erscheinen, bietet das Buch Anlass zu Spekulationen und stellte somit auch für den Maler eine Herausforderung dar.

Künstler als Architekt

Aldo Bachmayer hat das Werk bereits viermal gelesen und bestimmte Szenen hundert Mal nachgelesen. In den gemalten Szenen kommt laut Meinrad Gschwend der Künstler als Architekt zum Ausdruck. Zunächst müsse das Fundament stimmen, in diesem Fall ist dies die Stilvielfalt Bachmayers, seine Auseinanderselzung mit demBuch, dem Hin-und-her-Gehen zwischen Stilebenen sowie Bachmayers Verwandtschaft mit der Ulysses - Hauptfigur Bloom als auch mit Joyce.

Entdeckungsreise

Bachmayers Bilder sind vielseitig und farbig, und wie Joyce mit der Sprache spielt, experimentiert Bachmayer mit Maltechniken. Die Bilder sind die ersten 23 Stockwerke eines Wolkenkratzers, geplant sind 120 Szenen aus dem Ulysses. Wie der Leser geht auch der Betrachter der Bilder auf Entdeckungsreise: In Mollys Boudoir" knistert es von Sinnlichkeit, die Wäsche der Bordelldame liegt auf dem Stuhl. Frech, farbenfroh und witzig präsentiert sich dagegen "Nora als königliche Hoflieferantin von Zuckerwerk". Vom Hintergrund aus richtigen Bonbonshebt sich die Verläuferin in einem Süsswarengeschäft ab.

Tanja Graf

St. Galler Tagblatt

1994: “Molly” gespielt und “Molly” gemalt

Mit 120 Bildern will der Balgacher Künstler Aldo Bachmayer den "Ulysses" von James Jovce malerisch bewältigen. Die Schauspielerin Evelyn Fuchs hat den Schlussmonolog Molly Blooms aufgeführt. Wer sich solcher Art dem Monumentalwerk des berühmten Iren annähern will braucht Ausdauer. Ein gewinnbringender Ausstellungsbesuch bedingt hingegen allein Neugier, und auch die Bekanntschaft mit einer Bühnen-Molly blieb für das Publikum eine Lustvolle "Strapaze".

Für alle jene, die den"Ulysses" noch kein Mal durchhaben, war es vielleicht ein Anreiz, mal bei Stephan Dedalus und Buck Mulligan zu beginnen. Als leicht fortgeschrittene gebe ich zu, dass ich Molly Bloom - auch bei mehrmaligem "Durchkauen" des Schlussmonologs - vor meinem inneren Augenie so leidend gesehen habe. Die Penelope des JJ stickt ihre libidinösen Abenteuer eigentlich nicht - wie ihre literarische Vorgängerin - in irgendein Tuch, siegeht ran. Was faszinierte, ist jedoch der Zugang den man zu diesem Text, dem interpunktionslos wiedergegebenen "Strom ihres Be-wusstseins" (Jörg Drews) fand. Jedenfalls scheute man sich nicht (inklusive Kürzungen), die Kluft zwi-schen den Phantasien des LeopoldBloom und den ihren hier noch zu vergrössern. Augustin Jagg hat sichin Sachen Dialog- und Monolog-regie in Vorarlberg bereits einenNamen gemacht und unterstützte auch hier den starken Auftritt der Evelyn Fuchs.

Farbe und Witz

Edgar Leissing hat die lustvolle szenische Realisierung mit einer seiner Blumentapeten akzentuiert, Aldo Bachmayer, Künstler aus Balgach in der Schweiz und ausgebildeter Architekt, spart bei seinen "Ulysses"- Malereien nicht mit Farbe. In den Materialbildern sind (auch mit einigem Witz) Einzelszenen und Assoziationen eingefangen. 120 Bilder sollen es werden, über 20 sind schon entstanden, der Rest offenbart vielleicht auchnoch mehr Abgründiges. Wer die Ausstellung mit vielen Fundstücken (und dem einzigen Bronzeabguss der Totenmaske von JJ) besichtigt, sollte sich unbedingt bis ins Saumarktbüro vorwagen, dort gilt es nämlich eine Passage aus "Finnegans Wake" via multimedialem Computerprogramm aus führlich zu erkunden. Ausstellungsmagnete sind selbstredendjene Exponate, die direkte Feldkirch-Bezüge dokumentieren, wie die ini Hotel Löwen geschriebenen Briefe JJs an den Wiener DichterFelix Braun, ein Bleistiftporträtvon Joyce von Hans Ender aus Götzis sowie u. a. jene Ausgabe von "The Mime of Mick, Nick and the Maggies", die Joyce-Tochter Lucia mit einem dekorativen Al phabet versah. Zu den Raritäten zählen eine deutsche Erstausgabe des Romans "Ulysses", übersetzt von Georg Goyert, die nur in einer Auflage von 100 Stück hergestellt wurde, oder Passagen des Vorabdrucks des Romans "Finnegans Wake" mit Feldkirch-Bezügen. Dass Dublin mittels Karten und Fotos - nun auch nach dem"Blooms - Day" - noch erkundet werden kannversteht sich von selbst.

Christa Dietrich

Vorarlberger Nachrichten, 17. Juni 1994

1998: Von Pop zu Joyce

Aldo Bachmayer, 1947 geboren, in Luzern aufgewachsen, gelernter ETH-Architekt, warvon den frühen siebziger Jahren an eine bekannte Figur der Zürcher Kunstszene. Er gelangte zu einer sehr persönlichen Variante der Pop Art, die bei ihm eher eine kleinstädtische italienischmittelmeerische Atmosphäre als eine anglo-amerikanische Massen- und Metropolitankultur spiegelte. Anders gesagt: Aldo Bachmayer zeigte sich vor allem lebensfroh (Sonne, Palmen, Papagalli), während die amerika nischen Pop Art-Künstler zur Kaltschnäuzigkeit und die Engländer zur Satire neigten. "Popig"war an Aldo Bachmayer, dass er die Welt in frechen Farben malte, fragmentiert, aus Versatzstücken, Stereotypen, Planschemata, Schlagwörtern und Signalen zusammengesetzt. SolcheStandards der Zivilisation verband er mit "klassischer" Ornamentik und Musterung: mit Karos, Würfeln, Mäandern, Rosen girlanden. Etwas später drang in dieses Universum aufgedonnerter Clichés eine eigenartig barocke Erotik; die Domina als Riesenweib, in hochhakigen Stiefeln und panzerartigen Korsetts. Aldo Bachmayer belegte zunächst die malerisch bearbeitete Gestaltungsfläche mit Collage Elementen, drängte dann von der Bildfläche weg, ins Räumliche, ins Relief. Er schuf eine für den Maler der Achtziger Jahre typische Spielform der Skulptur: keine Voliplas tik, aber flache, frei-stehende, knallig bemalte Figuren aus Karton, Holz, Blech. Solche Klappfiguren bildeten oft überlebensgrosse Gruppen, zum Beispiel eine Jazzband für die Ueberbauung Rütiwiese in Adliswil/Zürich (1983), eine "Familie Schweizer' (1 987 für eine Wohnstrasse in Zürich) oder - voll ausgereift - Wandreliefs in Schalterhalle und Sekretariat der UBS in Rorschach. 1984 zog Aldo Bachmayer aus der Stadt Zürich in die kleine Gemeinde Balgach/SG. Etwa gleich zeitig wandelte sich auch sein Stil. Er entdeckte jetzt eine poetische, mitunter rauschhafte Farbig keit. Man darf sagen, dass er sich überhaupt von allen gerade in Mode stehenden Trends löste. Diese neu erworbene Freiheit befähigte ihn, das "Ulysses"-Projekt", und anschliessend,digital, "Finnegans Wake" anzugehen.

Fritz Billeter

zur Ausstellung bei Katja Sprüngli

2001: Taggeschichten und nächtliche Träume

Aldo Bachmayers «Ulysses» und «Finnegans Cyberwake» in der Galerie Schloss Arbon. Während viereinhalb Jahren hat Aldo Bachmayer an seinem «Ulysses»-Zyklus gearbeitet; nun hat er sich auch mit dem zweiten Hauptwerk von James Joyce, «Finnegans Wake», auseinander gesetzt. Ausschnitte aus den umfangreichen Zyklen sind derzeit in der Galerie Schloss Arbon zu sehen.

Zwischen 1993 und 1997 hat sich Aldo Bachmayer in 120 gleich grossen Tafeln von je 112 x 80 cm mit James Joyces «Ulysses» auseinander gesetzt, diesem über 1000-seitigen Werk, in dem der Autor den Tagesablauf dreier Menschen in Dublin am 16. Juni 1904 schildert. Freilich nicht in gradliniger Erzählung, sondern in verschiedensten Erzähltechniken, mit Vor- und Rückgriffen, in Monologen über viele Seiten hinweg, mit Querbezügen zu geschichtlichen Ereignissen und mythologischen Gestalten.

Von Dada bis Pop Art

Auch Bachmayer bedient sich in seinen Bildern verschiedenartigster Stilmittel. Er macht Anleihen bei Impressionisten und Expressionisten, bei Künstlern des Kubismus, der Pop Art, des abstrakten oder des lyrischen Expressionismus, hat sich umgesehen bei Dadaisten und bei Marcel Duchamp. Auch technisch verwendet er, was sich anbietet, von Zeichnung und Malerei über Frottage, Montage, Collage bis hin zum Relief mit gestalteten wie mit vorgefundenen Elementen. Auch Spiegelbild und Assemblage setzt er ein, greift hier auf dekorativ-ornamentale Formen und Muster zurück, legt dort transparente Schichten über das Motiv und rückt es damit in eine unbestimmte Ferne, Geheimnis verschleiernd oder Heimliches verbergend.

Freie Umsetzungen

Bachmayer überträgt das literarische Vorgehen des Schriftstellers in seine eigene Sprache des bildenden Künstlers. In ähnlicher Weise verfährt er mit den Inhalten des Romans. Er folgt im ganzen Zyklus zwar dem Verlauf des Erzählens, so weit davon in diesem komplexen Werk überhaupt gesprochen werden kann. Seine Bilder aber gehen weit über das blosse Illustrieren In-nerer oder äusserer Ereignisse hinaus. Es sind eigenständige Umsetzungen, überlagert von andern Alltagswelten als denen in Dublin, durchwoben von Bezügen, in denen sich der Maler vom Dichter entfernt und neue Relationen sichtbar macht. Da steht Banales neben Kunstvollem, vor-dergründig Direktes neben diskret Verhülltem. Hier werden ganze Geschichten angeboten, die weiterzuspinnen die Betrachter geradezu aufgefordert werden, dort wieder sind nur Fragmente vorhanden, zusammengehörige ebenso wie solche, die sich unmöglich zu einem sinnvollen Gan-zen zusammenfügen lassen.

Von «Wake» zu «Cyberwake»

Von «Ulysses» zu «Finnegans Wake», von der Tag- zur Traumgeschichte, in der die Hauptperson Humphrey Chimpden Earwicker in einer Nacht die ganze Menschheitsgeschichte träumt, sich bald in diese, bald in jene historische Gestalt verwandelt. Auch hier nicht in gradlinigem Verlauf, sondern in Brüchen und Überschneidungen, in Schichten, die sich traumhaft übereinander schieben, in ständigem Wechsel zwischen Realität und Irrealität. Die Sprache nimmt dieses Irrlichtern auf, ist nicht mehr eindeutig fassbar, ist zudem durchsetzt von Wörtern und Sätzen aus verschiedenen Sprachen. Ein bildnerisches Pendant zu dieser Vielschichtigkeit hat Aldo Bachmayer im Internet gefunden. Er trägt vorgefundenes Material aus verschiedensten Bereichen zusammen, schichtet Werbebanner und Bildausschnitte aller Art übereinander, fügt eigene Symbole ein - Hut, Schuh, Schlüssel, einzelne Wörter und Begriffe, die sich auch schon im «Ulysses» finden. Einzelne Motive wie Schmetterlinge aus mehreren Erdgegenden machen Weltumfassung ohne Umweg erfahrbar, handschriftliche Textzeilen laufen quer über die Bildflächen hinweg, nur fragmentarisch lesbar, so, als tauchten sie aus Traumwelten auf und wieder dorthin ab. Im Gegensatz zu seinem «Ulysses»-Zyklus bietet Bachmayer - darin Joyce durchaus nahe - weder Geschichten noch Geschichtenfragmente an, sondern ausschliesslich Materialien und Informationen, dingliche und sprachliche, reale oder nur in der Cyberwelt angesiedelte.

Ohne Fassbarkeit

Erst in der Fixierung mit Plotter oder Drucker, wiederum auf Platten gleicher Grösse wie jene des «Ulysses»-Zyklus, erhalten sie eine feste, sich nicht mehr verändernde Form. Doch selbst hier entziehen sie sich immer wieder der Fassbarkeit im Neben- und Übereinander von Elementen, die weder zeitlich noch örtlich, weder ereignishaft noch dinglich sich in irgendeinen logisch begründbaren Zusammenhang bringen lassen.

(Bis 23. Februar, Montag bis Freitag 10- 22 Uhr).

Peter E. Schaufelberger

Tagblatt. 29. Januar 2001, Arbon/Romanshorn

2004: Aldo Bachmayers Bilder leben weiter

Der Lebens- und Wirkungskreis eines grossen Künstlers hat sich geschlossen: Gedenkausstellung in der «Statthalle» Altstätten
BEA SUTTER

Eine besondere Ausstellung für einen ganz besonderen Künstler findet derzeit in der «Statthalle» Altstätten statt. Aus der Ausstellung wurde eine Gedenkausstellung, denn Aldo Bachmayer konnte deren Eröffnung nicht mehr erleben.

Am vergangenen Samstag ist der weitherum im In- und Ausland bekannte Balgacher Maler und Plastiker im Alter von 57 Jahren gestorben - drei Tage vor der Eröffnung seiner Ausstellung in der Statthalle in Altstätten.

Die geplante Ausstellung wird aber trotzdem durchgeführt. Galerist Bernhard Tschan, der bis zuletzt in Kontakt mit Aldo Bachmayer gestanden hat, sagt: «Aldo Bachmayer hat die Vorbereitungen zur Ausstellung ‹mitgelebt›. Er ahnte, dass er die Ausstellung nicht mehr erleben würde und es eine Gedenkausstellung werden könnte.»

Zurück bleibt ein grosses Werk
Am Dienstagabend wurde in Erinnerung an den verstorbenen Künstler die Gedenkausstellung im Beisein vieler Freunde von Aldo Bachmayer eröffnet. Albert Ruetz, Beauftragter der Stadt Feldkirch für kulturelle Belange, würdigte das Schaffen des Verstorbenen. Die Ausstellung in der «Statthalle» zeigt einen Querschnitt durch das Werk Aldo Bachmayers in den letzten 12 Jahren. Wenn man die Ausstellung betritt, so steht man unmittelbar vor einem grossen Gemälde, das die Engadiner Bergwelt darstellt. Bernhard Tschan weiss von Aldo Bachmayer, dass er mit diesem Bild seinen eigenen Ursprung darstellen wollte. Aldo Bachmayer wurde in Samedan geboren und malte die Berge aus seiner Erinnerung heraus. Diese Urgewalt der Natur prägte ihn sowohl als Menschen als auch als Künstler. Aldo Bachmayer war fasziniert von James Joyces Roman «Ulysses». In den Neunzigerjahren arbeitete er an der Umsetzung des Romans in Bildern. Es entstand ein Zyklus von 120 Bildern. Nach einem umfassenden Werk und vielen Jahren Arbeit mit Palette, Pinsel und einer kaum erschöpflichen Vielfalt von Materialien und Farben stieg der stets alles ausprobierende Maler und Plastiker in die Digitaltechnik ein.

Die Kunst des Mitteilens
Faszinerend ist nicht nur das Betrachten des Bildes als Ganzes. Jedes Detail erzählt etwas. Das war typisch für Aldo Bachmayer. Seine Bilder teilen mit, erzählen, machen aufmerksam. Beim Betrachten seines Spätwerks «Finnegans Cyberwake» erkennt man wieder seinen Willen, den Menschen etwas mitteilen zu wollen. Die tragischen Ereignisse wie Krieg und Terror beschäftigten Aldo Bachmayer sehr. Dies kommt in einer Reihe von Digitalbildern zum Ausdruck. Wer Bachmayers Werke kennt, merkt, dass die für ihn untypisch düsteren Bilder zum Nachdenken aufrütteln wollen. Erstaunlich ist, dass der bereits sehr kranke Künstler seine letzten Werke wieder in frohe Farben fasste. «Das ist Audruck der Hoffnung», sagt Bernhard Tschan. Die Bilder spiegeln die Lebensfreude, die Zeit seines Lebens ihm eigen war, wider. Auch wenn Aldo Bachmayer selber Abschied genommen hat von dieser Welt - seine Bilder leben weiter und erinnern an einen grossen Künstler, der in den letzten 20 Jahren auch zum Rheintaler geworden ist.

Die Ausstellung ist geöffnet am 28. März, 4., 10., 12., 17. und 18. April von 11-18 Uhr.

Tagblatt Online, 25. März 2004, 00:30 Uhr